12. Landestreffen der Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft

"Das Erbe erhalten - die Zukunft gestalten"

Wetzlar stand beim Landestreffen der Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft ganz im Zeichen der Sudetendeutschen. Landesobmann Alfred Herold erklärte dazu, die Stadt sei durch dieses Treffen zu einer heimlichen Hauptstadt der Sudetendeutschen in Hessen geworden.

Zu dem Landestreffen waren in die Stadthalle in Wetzlar über 1.000 Personen gekommen. Vor der Kundgebung mussten Tische aufgestellt und Stühle herangeschafft werden.

Die Veranstaltung begann mit einem katholischen Gottesdienst. Die Festansprache hielt die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach.

Die Veranstaltung fand großes Interesse der Medien. Der Hessische Rundfunk berichtete im 3.Fersehprogramm in zwei Sendungen über dieses Ereignis.

Auch waren zahlreiche Vertreter der Lokalzeitungen gekommen.

Es war ein feierliches Zeremoniell als vor Beginn der Kundgebung die Fahnenträger mit ihren Fahnen einzogen und auf der Bühne Aufstellung nahmen.

Die Zukunft gehört den Handelnden und nicht den Klagenden

Landesobmann Alfred Herold führte einleitend aus, die vollbesetzte Halle sei der schönste Dank für die große Mühe und Arbeit bei der Vorbereitung und bei der Durchführung eines solchen Großtreffens. Er grüßte auch die Landsleute in der Heimat sowie den Teil des tschechischen und slowakischen Volkes, der bereit sei, auf der Grundlage der historischen Wahrheit und der Gerechtigkeit eine dauerhafte Aussöhnung mit den Sudetendeutschen anzustreben. Weiter lobte Herold die gute Zusammenarbeit mit der Hessischen Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch. Er dankte dem Landesbeauftragten der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Rudolf Friedrich, für seine tatkräftige Unterstützung der Anliegen der Heimatvertriebenen. Zum Leitwort des Treffens bemerkte Landesobmann Alfred Herold: 1983 - vor 22 Jahren führten wir unser erstes Landestreffen durch. Allein seit 22 Jahren habe ich mit unzähligen Landsleuten gesprochen. Jeder von ihnen hatte ein eigenes Schicksal zu bewältigen. Aber bei diesen einfachen, unverbildeten Menschen ist etwas aufgebrochen, was lange verschüttet war ... ein tief verletztes Rechtsempfinden.
Dieses verletzte Rechtsempfinden zu heilen, ist Aufgabe der deutschen Politik.
Dabei wollen wir, liebe Landsleute, mithelfen. So lasst uns weiterhin treu und mutig, aber glaubwürdig weiterarbeiten, denn die Zukunft gehört den Handelnden und nicht den Klagenden.

An dem Treffen nahmen zahlreiche Ehrengäste teil. So begrüßte der Landesobmann den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung von Wetzlar, Udo Volck, Oberbürgermeister Wolfram Dette, die Bundestagsabgeordneten Erika Lotz und Sibylle Pfeifer, den Landestagsabgeordneten Rudi Haselbach und den Landesbeauftragten Rudolf Friedrich.

Ein weiterer Gruß galt dem Landrat des Lahn- Dill- Kreises, Dr. Karl Ihmels, und dem Regierungspräsidenten von Gießen, Wilfried Schmied.

Auch waren zahlreiche Bürgermeister aus der Umgebung der Einladung gefolgt.
Stellvertretend nannte Herold den Bürgermeister von Hainstadt, Bernhard Bessel.

Auch Vertreter der Vertriebenenverbände aus allen Teilen Hessens kamen zu dem Treffen.

Besonders herzlich begrüßte Landesobmann Alfred Herold die Hauptrednerin des Tages, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach.
Gradlinig, furchtlos, zielstrebig und glaubwürdig kämpfe sie für die Interessen der Heimatvertriebenen. Ihr großer Einsatz für die Interessen der Heimatvertriebenen habe die deutschen Heimatvertriebenen wieder in die Diskussion gebracht, sagte Herold weiter.

8. Mai 1945 für die deutschen Heimatvertriebenen kein Tag der Befreiung

Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, wurde mit großem Beifall begrüßt. Auf ihr persönliches Schicksal eingehend, leitete sie auf den 8. Mai 1945 über. In den Medien werde immer von einem Tag der Befreiung gesprochen.

Für die deutschen Heimatvertriebenen hätten sich jedoch Unmenschlichkeit und Grausamkeiten fortgesetzt. Sie führte ein Zitat des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss an, der zum 8. Mai 1945 gesagt hatte, dieser Tag sei Erlösung und Vernichtung zugleich gewesen. Über Osteuropa habe sich die stählerne Faust Stalins gelegt. Menschen wurden ohne individuelle Schuld verfolgt und vertrieben, nur weil sie Deutsche waren, fuhr Frau Steinbach fort. Eine Vertreibung wie nach dem Zweiten Weltkrieg habe es seit biblischen Zeiten nicht gegeben. Heute herrsche noch weitgehend Unkenntnis über die Heimatgebiete der Vertriebenen. Der kulturelle Reichtum dieser Gebiete dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Dieses kulturelle Erbe ginge nicht allein die Vertriebenen, sondern das gesamte deutsche Volk an.

Frau Steinbach forderte, dass dieses Thema in ausreichender Weise in die Lehrpläne der Schulen Eingang finden müsse, um den kulturellen Reichtum der Vertreibungsgebiete an folgende Generation weiterzugeben.

Die Eingliederung der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete die Präsidentin als die größte politische Leistung Deutschlands, die in das kollektive Bewusstsein des deutschen Volkes einzugehen habe. Die Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" würde einen großen Beitrag dazu leisten. Damit solle auch Solidarität mit allen Opfern von Vertreibungen in der Welt erklärt werden. Vertreibung ist zu stigmatisieren, sie darf kein Mittel der Politik sein, so Frau Steinbach.

Die Gründung der Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" habe schon etwas bewirkt. Es werde mehr über die Vertreibung diskutiert.

An die Gegner des Vorhabens gewandt, sagte Frau Steinbach mit Bestimmtheit, das Zentrum gegen Vertreibungen komme nach Berlin, von dort wäre die deutsche Geschichte ausgegangen. Wenn die Argumente der Gegner der Wahrheit entsprächen, so hätte Berlin auch nicht die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschlands werden dürfen. Dort sei schon ein Grundstück gefunden worden.

Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen forderte die Heilung des Vertreibungsunrechts. In diesem Zusammenhang übte sie scharfe Kritik an Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesaußenminister Joseph Fischer.

Beide hätten in Prag und Warschau darauf hinwirken müssen, dass es zu Gesprächen zwischen den Vertriebenen und den Regierungen der östlichen Staaten kommt. Weiter verurteilte Frau Steinbach den Kult in der Tschechischen Repulbik um Edward Benesch, an dessen Händen Blut klebe. Darin sah sie eine Provokation für Europa.

Frau Steinbach verwies auf die völkerverbindenden Aktivitäten der Vertriebenen in ihren Heimatgebieten. Wir kommen nicht mit Sprengstoffgürteln in die östlichen Staaten, sondern mit den Willen zur Verständigung, sagte die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen abschließend.

Solidarität mit den deutschen Heimatvertriebenen

In den Grußworten kam die Solidarität mit den deutschen Heimatvertriebenen zum Ausdruck. Der Oberbürgermeister von Wetzlar, Wolfram Dette, forderte Wiedergutmachung für die Vertriebenen. Nur auf der Grundlage der Geschichte und der Akzeptanz könne der Grundstein für ein neues Europa gelegt werden. Auch dürften die kulturellen Wurzeln der Vertriebenen nicht in Vergessenheit geraten.

Die Vertreibung riss Wunden, machte aber die Menschen stark, stellte der Oberbürgermeister fest. Wetzlar wäre ohne die Vertriebenen nicht das, was es heute ist. Die unterschiedlichen Kulturen hätten sich befruchtet. Wetzlar trage durch die Pflege des ostdeutschen Liedgutes zur Erhaltung des Kulturgutes der Vertriebenen bei.

In Vertretung des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch dankte der Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Rudolf Friedrich, den Sudetendeutschen für ihre Aufbauleistung in Hessen. Zur Vertreibung bemerkte er, Ministerpräsident Roland Koch habe beim Hessentag in Weilburg deutlich gesagt, dass Vertreibung ein Unrecht ist und das Thema bei Gesprächen in Prag und Warschau nicht verschwiegen werden darf.

Die jetzige Bundesregierung habe die Interessen der Heimatvertriebenen nicht deutlich genug vertreten. Anders verhalte es sich bei der Hessischen Landesregierung. Das zeige sich darin, dass Ministerpräsident Koch bei einem Besuch in Prag den Leiter des Sudetendeutschen Büros empfing. Weiter berichtete Friedrich über seine Gespräche mit tschechischen Abgeordneten und Journalisten in Prag. Es habe keine Tabus gegeben, es sei über alles in aller Offenheit gesprochen worden.

In dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union sah Friedrich eine Chance. Ein Zeichen der Tschechischen Republik wäre überfällig. Aber die Enthüllung des Benesch-Denkmals in Prag beweise das Gegenteil. Er nannte das eine Provokation für die Vertriebenen und für Europa.

Weiter kritisierte er die Bundesregierung in scharfer Form. Eine deutsche Bundesregierung, die die Prager Regierung nicht zum Dialog mit den Betroffenen auffordert, hat versagt und damit eine wahre Verständigung nicht gefördert, schlussfolgerte Friedrich.

Der Landesbeauftragte versicherte ausdrücklich, Hessen werde das Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin unterstützen und auch die Kulturarbeit der Vertriebenen in Hessen weiter angemessen fördern.

Der Landrat des Lahn-Dill Kreises konnte in seinem Großwort Erfreuliches berichten.
Anlässlich der 60. Wiederkehrs der Aufnahme der Vertriebenen werde die vom Kreis erstellte Dokumentation überarbeitet. Die BdV-Kreisvorsitzenden Manfred Hüber und Walter Fix würden dabei mitwirken.
Die Vertreibung nannte er als einen gravierenden Einschnitt in der jüngsten Geschichte. Er rief zum nationalen Selbstbewusstsein auf. Dabei dürfe die Vertreibung nicht ausgegrenzt werden. Nur so könne es zu einer wahren Versöhnung kommen.

Vertriebene fanden einen Halt in der Kirche

Der katholische Gottesdienst vor der Kundgebung wurde von Heimatpfarrer Karl Kindermann, Vertriebenenseelsorger der Diözese Limburg und Ehrendomherr von Leitmeritz, und dem Vertriebenenseelsorger der Diözese Mainz, Geistlichen Rat, Pfarrer Dr. Wolfgang Stingl, zelebriert.

Pfarrer Stingl ging in seiner Predigt auf die prekäre Situation nach der Vertreibung ein. Verzweiflung und materielle Not wären an der Tagesordnung gewesen.

In der Kirche hätten die Vertriebenen eine geistige Heimat gefunden.

Die so genannten Rucksackpriester trugen zu Vermeidung von Konflikten bei, fügte Stingl hinzu. Man schwor Rache und Vergeltung ab und übte Verständigung und Nächstenliebe.

Pfarrer Stingl rief dazu auf, nicht aufzugeben. Er sei zuversichtlich, dass es zu Gesprächen zwischen den Sudetendeutschen und der tschechischen Regierung kommen werde. Nur so könne eine friedvolle Zukunft gestaltet werden.

Allerdings stehe dem heute der Benesch-Kult in der Tschechischen Republik entgegen.

Anspruchsvolles Kulturprogramm

Am Nachmittag wurde ein anspruchsvolles Kulturprogramm geboten. Um die Verbundenheit mit Hessen zu dokumentieren, traten auch einheimische Gruppen auf.

Zwischen den Auftritten der Gruppen brachten die Kaiserwaldmusikanten unter Leitung von Wolfgang König zünftige Musikeinlagen.

Durch das Programm führte in gekonnter Weise Ingrid Paulus.

Es wirkten mit: Der Erk`sche Männergesangverein, die Volkstanzgruppe Watzenborn-Steinberg, die Ungarndeutsche Trachtengruppe, der Egerländer Singkreis Münchholzhausen und die Volkstanzgruppe der Egerländer Gmoi, Gießen.

 

Bei Gesprächen mit anwesenden Politikern wurde das Treffen sehr positiv beurteilt. Besonders die Argumentation der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen zum Zentrum gegen Vertreibungen hätte überzeugt.

Adolf Wolf