SL Hessen

Tag des Selbstbestimmungsrechtes

Kreisverband und Kreisgruppe des BdV und der Sudetendeutschen Landsmannschaft Groß-Gerau gedenken der Opfer des 4. März 1919

Am 4. März 1919 starben durch Schüsse des tschechoslowakischen Militärs 54 sudetendeutsche Demonstranten, darunter 23 Frauen, Mädchen und Jungen im Alter von 11 bis 14 Jahren. Ihnen gedachten Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) und des Bundes der Vertriebenen (BdV) am Wallfahrtsort Maria Einsiedel. Dort ist ein vom Friedhof in Leitmeritz (Litomerice) in Nordböhmen stammendes Kreuz zum Gedenken an die Vertreibung der Deutschen als Mahnmal in Stein gefasst.

Mit dem historischen Hintergrund eröffnete Hans Josef Becker als Mitglied er Leitungsgruppe des BdV-Kreisverbandes Groß-Gerau im Beisein der Eghalanda Gmoi z´ Kelsterbach mit Vüarstäiha Uwe Rolle und Ehren-Vüarstäiha Edurard Fenkl sowie SL-Kreisobmann Helmut Brandl (Stockstadt) seine kurze Ansprache. Er schloss an den US-amerikanischen Diplomaten und Historiker Kennan an, der den Ersten Weltkrieg als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet hat. „Sie wirkte sich fatal auf die weitere Geschichte Europas aus: Oktoberrevolution, Stalinismus, Faschismus, Nationalsozialismus und schließlich Zweiter Weltkrieg.“

Die Schüsse des 4. März 1919 auf friedlich demonstrierende Menschen in zahlreichen Orten des Sudetenlandes trugen nach Auffassung des BdV-Sprechers mit dazu bei, dass ein über Jahrhunderte währendes fruchtbares Zusammenleben verschiedener Völker in der Donaumonarchie ein jähes Ende fand. Er schilderte, wie es dazu kam.

Gegen ihren ausdrücklichen Willen wurden die Sudetendeutschen mit dem Vertrag von St. Germain unter dem Diktat der Siegermächte einem neuen Staat, eben der Tschechoslowakei, zugeschlagen. „Die Deutschen wollten nicht in diesem Staat leben, an dessen Name, Verfassung und Gründung sie keinen Anteil hatten. Sie forderten den Verbleib bei Deutschösterreich.“

Konkreter Anlass für die Demonstrationen des 4. März 1919 sei die an diesem Tag stattfindende konstituierende Nationalversammlung Deutschösterreichs gewesen. In ihr waren die deutsch-sprachigen Gebiete Böhmens, Mährens und Österreichisch-Schlesiens auf Grund der tschechischen Wahlverhinderung nicht mehr vertreten. Die Initiative zu den Demonstrationen ging von der sudetendeutschen Sozialdemokratie unter Josef Seliger aus. Dem Aufruf schlossen sich alle anderen deutschen Parteien an.

„Zu den Forderungen des 4. März gehörte zentral das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das von US-Präsident Woodrow Wilson als Grundprinzip der Friedensregelung proklamiert worden war“, führte der Redner weiter aus. Speziell aufgegriffen wurde das Selbstbestimmungsrecht in den 14 Punkten Wilsons (1918), wonach jedes Volk seine eigene politische Ordnung und Art der Entwicklung selbst bestimmen soll. Dort heißt es: unter Punkt 10: "Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung zugestanden werden." Einige der von Wilson aufgelisteten vierzehn Punkte waren sehr konkret, andere ziemlich allgemein oder vage gehalten. Dazu gehörte auch die "„autonome Entwicklung“ für die Völker Österreich-Ungarns.

Die Kundgebungen wurden kurz nach Mittag in mehreren Städten gleichzeitig durch Schüsse in die Menge blutig unterdrückt. Dabei kamen jene 54 sudetendeutsche Demonstranten ums Leben. Die Opfer erhielten keine Entschädigung, die Täter wurden nicht ermittelt und bestraft. Für die Sudetendeutschen wurde der 4. März als "Tag des Selbstbestimmungsrechtes". Er gilt ihnen als geeignete Mahnung, mit aller Entschiedenheit für das Recht auf die Heimat und das Selbstbestimmungsrecht einzutreten, und zwar für alle Völker und Volksgruppen.

Pfarrer Clemens Wunderle von der katholischen Pfarrei St. Maria-Magdalena Gernsheim hatte während des der Gedenkfeier vorausgehenden Hochamtes in der Pilgerhalle des Marienwallfahrtsortes Vertreibungen damals und heute als Unrecht bezeichnet. Während der Gedenkfeier sprach er ein Segensgebet, in dem er auch die Pflicht zum Vergeben hervorhob.

Fotos: Harald von Haza-Radlitz und BdV Groß-Gerau
März 2021



Zu Beginn des Hochamtes in der Pilgerhalle mit Pfarrer Wunderle und Mitgliedern der Egerländer Gmoi z'Kelsterbach




Gedenkfeier am Vertriebenenkreuz (2.v.li.n.re. Pfarrer Wunderle, Hans Josef Becker, Mitglieder der Egerländer Gmoi z' Kelsterbach)