Die deutsch-tschechische Vergangenheit darf nicht verfälscht werden

Wenn es um die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg geht, haben tschechische Spitzenpolitiker nach wie vor Probleme, objektiv mit der Vergangenheit umzugehen. Die Person des früheren tschechoslowakischen Präsidenten Edward Benesch ist dabei unantastbar. Gilt doch Benesch als Vater von ethnischen Säuberungen. Wer versucht Benesch von Sockel zu stoßen, wird von Chauvinisten als Verräter bezeichnet.

Die Verantwortung für die Vertreibung der Sudetendeutschen schreibt man den Alliierten und der Potsdamer Konferenz zu. Lediglich bedauert die tschechische Seite die sogenannten "wilden Vertreibungen".

In Bezug auf die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei gibt es eine neue Variante Der tschechische Staat beruft sich auf das "Kaschauer Programm" der provisorischen Regierung, das am 5. April 1945 in Kaschau verkündet wurde. Es wird der Eindruck erweckt, als sollten nur Anhänger Hitlers vertrieben werden.

Nach Artikel VIII Kaschauer Regierungsprogramms wurde die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit Bürger deutscher und Nationalität aufgehoben.

Ausgenommen waren "Antinazisten" und Antifaschisten, die einen Kampf gegen die Nationalsozialisten führten Weiter zählten Personen dazu, die treu zur Tschechoslowakischen Republik hielten und die wegen ihres Widerstandes von der deutschen Staatsgewalt verfolgt und in Kerker und Konzentrationslager geworfen wurde. Auch, wer nach Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich fliehen musste und sich am aktiven Kampf für die Wiederherstellung der Tschechoslowakei beteiligte, war privilegiert.

Es wurden damals nicht nur Funktionäre der NSDAP und frühere Anhänger der Henlein-Partei verhaftet, sonder auch eine große Anzahl nicht belasteter, unschuldiger Personen. Betroffen waren von diesen Willkürmaßnahmen wohlhabende sudetendeutsche Familien. Sie wurden eines politischen Verbrechens beschuldigt. Auf diese Weise konnten sich Tschechen in Besitz des Eigentums von diesen Unschuldigen setzen.

Obwohl nach dem Kaschauer Regierungsprogramm Antifaschisten nicht unter die gegen die übrigen Deutschen gerichteten Maßnahmen fielen, hielt man sich bei Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei in der Tschechoslowakei und der Christlichen Partei, die während des Dritten Reichs verfolgt wurden, nicht daran.
Sie wurden wie die anderen Sudetendeutschen willkürlich verhaftet, enteignet und vertrieben.

Nur Mitglieder der sudetendeutschen kommunistischen Partei erhielten die Sonderbehandlung nach dem Kaschauer Regierungsprogramm. So schrieb 1945 der Sprecher der sudetendeutschen Kommunisten und späterer Botschafter der Tschechoslowakei in Moskau, Karl Kreibich, in der tschechischen Zeitschrift "Tvorba": "Kümmert euch nicht darum, wie viele Deutsche endgültig da sein werden, je weniger, desto besser. Eines aber ist unabänderlich, es darf in der Tschechoslowakischen Republik niemals wieder eine organisierte politische Gruppe der deutschen Minderheit geben, es darf keine eigene deutsche, sei es wirtschaftliche, politische oder kulturelle Richtung geben, auch kein wie immer geartetes deutsches nationales Leben. Es darf keinen deutschen Status geben, und die Erziehung der Kinder muss tschechisch sein, damit die Zahl der Deutschen in der Republik so klein wie möglich und damit es keine deutschen Gebiete gibt, d. h. dass es keinen einzigen Bezirk mit einer deutschen Minderheit gibt".

Benesch plante bereits im Jahre 1938 die Vertreibung der Sudetendeutschen, wie Herberte Ripka ein Parteifreund berichtete. Weiter suchte Benesch 1942 Rückhalt bei den Alliierten für seinen Vertreibungsplan.

Edward Bensch hatte in einem Zehn- Punkte- Programm Richtlinien zur Ausweisung der Sudetendeutschen erarbeitet. Dieser Plan war auch Grundlage für das Memorandum, das die tschechoslowakische Exilregierung an die European Advisora Commmission richtete, die die Kapitulationsbedingungen für Deutschland ausgearbeitet hatte. In einer Mitteilung des tschechischen Diplomat Karel Lisicky heißt es dazu: "Darüber, wie die tschechoslowakische Regierung das Problem der deutschen Minderheit zu lösen beabsichtigt, hat sie den Großmächten ein umfangreiches Sondermemorandum vorgelegt, um ihre Kapitulationsforderungen zu belegen. Soweit es die Arithmetik der deutschen Minderheit betrifft, wurde dort die Zahl von 3.200.000 unserer Deutschen laut Volkszählung aus dem Jahre 1930, folgendermaßen disponiert: etwa eine viertel Millionen muss man auf Kriegsverluste rechnen, und ca eine halbe Millionen bedeutender Henlein- Leute wird aus der Tschechoslowakei flüchten. So kommen wir zu der Zahl von nicht ganz zweieinhalb Millionen, wovon man etwas über 1.600.00 durch einen organisierten Transfer wird aussiedeln müssen ..."
"Es werden 800.000 Deutsche übrig bleiben, diesen werden wir erlauben bei uns zu bleiben,, sie werden aber ihre bisherigen Minderheitenrechte verlieren und für eine Verschmelzung mit den Tschechen in einen Nationalkomplex bestimmt sein".

Die tschechoslowakischen Exilpolitiker verlangten von der britischen Regierung eine Stellungnahme zu ihrem Vertreibungsplan. Die britische Regierung teilte daraufhin mit, dass diese Frage erst mit den anderen Großmächten geklärt werden müsse.

Nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen blieben etwa 300.000 Deutsche in der Tschechoslowakei zurück. Es handelte sich dabei um Personen, die als Arbeiter bzw. als Spezialisten zurückgehalten wurden sowie um alte Leute und Familien, deren Vertreibung an der Weigerung der vier Besatzungsmächte in Deutschland, weitere Flüchtlingstransporte aufzunehmen, scheiterte.

Weiter waren von der Vertreibung nicht betroffen Anhänger der kommunistischen Idee und Deutsche, die mit nichtdeutschen Personen verwandt oder verschwägert waren.

Adolf Wolf