Die Ursache der Vertreibung darf nicht auf den Zweiten Weltkrieg reduziert werden

Seminar des Internationalen Willi-Wanka-Kreises auf dem Heiligenhof in Bad Kissingen

Mit dem "Sichtbaren Zeichen", das die Bundesregierung in Berlin setzen will, ist die Diskussion aufgekommen, was die Ursache der Vertreibung von über 12 Millionen Deutschen aus ihrer angestammten Heimat war. Nach Auffassung von Vertretern der Bundesregierung gelten als Ursachen der Zweite Weltkrieg sowie die Nazi-Diktatur.

Bei einem Seminar des Willi-Wanka-Kreises auf dem Heiligenhof in Bad Kissingen wurde diese These widerlegt. Alle Referenten, die sich mit diesem Thema befassten, kamen zu dem Schluss, dass es schon bereits viel früher Pläne zur Vertreibung der Deutschen gab.

"Bereits 1918 war für Benesch die Vertreibung klar"

Ministerialrat a. D. Dr. Richard Grill wehrte sich heftig dagegen, Personen, die den Begriff Vertreibung verwendeten, als "ewig Gestrige" zu diffamieren. Rückblickend stellte der Referent fest, bereits vom Slawenkongress im Jahre 1848 gingen Impulse zur Vertreibung der Deutschen aus Böhmen und Mähren aus. Dort sei die tschechische nationalsozialistische Partei gegründet worden, deren geflügeltes Wort war: "Deutsche und Juden raus. Wir müssen uns vom Deutschtum säubern". Die tschechischen Nationalisten forderten, Tschechen sollten keine deutschen Bücher lesen.

Auf Edward Benesch eingehend, führte Dr. Grill weiter aus, Benesch habe bei der Pariser Vorortkonferenzen untersuchen lassen, ob es möglich sei, die von Deutschen und Ungarn bewohnten Gebiete neu zu besiedeln. "1919 war für Benesch die Vertreibung völlig klar", konstatierte Dr. Richard Grill.

Zum Beitritt der Tschechischen Republik zur EU bemerkte er: "Durch die Weitergeltung der Benesch-Dekrete wurde die Vertreibung in Europa installiert".

Kommunisten prangerten die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Sudetendeutschen an

Der Leiter des Ermacora-Instituts in Wien, Alfred Bäcker, zitierte den verstorbenen Völkerrechtler, Prof. Ermarcora, der die Vertreibung juristisch als Völkermord einstufte. Als Beispiel nannte er den Brünner Todesmarsch. Die tschechische Seite leugne jedoch den Tatbestand des Völkermords.

Auf die geschichtliche Entwicklung eingehend, fuhr Alfred Bäcker fort, Benesch operierte bei den Pariser Vorortkonferenzen bezüglich der Zahl der Sudetendeutschen mit falschen Angaben. Auch Tomas Masaryk habe erklärt, die von den Deutschen bewohnten Gebiete würden tschechisch. Die geschichtliche Grenze stimme mit der ethnografischen überein. Masaryk forderte die Entgermanisierung dieser Gebiete. Die damals von der Tschechoslowakei beanspruchten Gebiete reichten bis Wien unter Einbeziehung von Passau und Regensburg.

Bäcker beleuchtete weiter die politische und wirtschaftliche Situation in der Zwischenkriegszeit in der Tschechoslowakei. Es setzte eine Tschechisierung ein, die zu einer Unterdrückung der Sudetendeutschen führte.

Zur Haltung der Kommunisten in der damaligen Tschechoslowakei hob er hervor, die Kommunisten hätten die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts angeprangert und für eine Vereinigung des Sudetenlandes mit dem Deutschen Reich plädiert.

Der Referent setzte sich weiter mit der Person von Konrad Henlein auseinander.
Bezüglich der Lage der Sudetendeutschen habe sich Henlein nicht zuerst mit Hitler, sondern mit England in Verbindung gesetzt. Dort verlangte er außenpolitische Einflussnahme. Erst 1937 nahm Henlein Kontakt mit Hitler auf. Henlein strebte keine Zerschlagung der Tschechoslowakei an, so beschrieb der Leiter des Ermarcora- Instituts die damalige politische Situation.

Schließlich wollte Benesch durch Mordaufrufe und "wilde Vertreibungen" sein Ziel, die vollständige Vertreibung der Sudetendeutschen, erreichen. Den Alliierten sollte bewusst gemacht werden, dass ein Zusammenleben mit den Deutschen nicht möglich sei. Nach der Potsdamer Konferenz seien die wilden Vertreibungen eingestellt worden, resümierte Alfred Bäcker.

Keine Kollektivschuld der Deutschen

Der Vorsitzende des Willi-Wanka-Kreises, Dr. Rudolf Pueschel, zerpflückte die These des amerikanischen Juristen und Experten auf dem Gebiet des internationalen Rechts, Timothy William Waters. Waters vertrete die Auffassung, die Vertreibung der Sudetendeutschen sei mit Hinweis auf Hitler gerechtfertig gewesen. Er gehe von einer Kollektivschuld der Deutschen aus. Waters komme zu dem Schluss, dass die Vertreibung als Bestrafung gerechtfertigt war.

Pueschel setzte Waters seine überzeugenden Argumente entgegen. Bei Völkermord könne nicht zwischen guten und bösen Menschen unterschieden werden. Er wies weiter auf den Widerstand der sudetendeutschen Sozialdemokraten gegen das Nazi-Regime hin. "Waters scheint sich dem Grundsatz "Macht ist Recht" unterworfen zu haben. Wenn man die Vertreibung als rechtmäßig betrachtet, dann muss man auch die Sklaverei als rechtmäßig anerkennen", stellte der Vorsitzende besonders heraus.

Deutschen Heimatvertriebenen darf nicht der Status von Opfern abgesprochen werden

In Deutschland gibt es Wissenschaftler, die den deutschen Heimatvertriebenen den Status als Opfer absprechen. Oberstudienrat a. D. Georg Schmelzle zitierte in diesem Zusammenhang den Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, Professor Dr. Micha Brumlik, der den deutschen Heimatvertriebenen die Mitschuld an der Vertreibung anlastet. Er spreche den Heimatvertriebenen das Recht ab zu trauern.

Auch Georg Schmelze machte deutlich, dass es bereits schon 1918 Bestrebungen zur Vertreibung der Deutschen gab. So besetzte Polen nach dem Ersten Weltkrieg Posen und Westpreußen, eine Millionen Deutsche hätten das Land verlassen müssen.

In Böhmen und Mähren bestand bereits vor den Hussitenkriegen Hass gegen Deutsche. Durch die Weckung des Nationalgefühls durch Herder verstärkte sich der Widerstand gegen Deutsche. Benesch rief 1945 zum Massenmord an der deutschen Bevölkerung auf, betonte Schmelzle abschließend.

Aufarbeitung der Kriegs- und Nachkriegsverbrechen in der Tschechoslowakei gefordert

Über die Massaker in und in der Umgebung von Postelberg referierte Professor Dr. Adalbert Wollrab. Er schilderte die damaligen grausamen Ereignisse. Der Todesmarsch der Saazer Männer begann am 3. Juni 1945. 5.000 Männer zwischen 13 und 65 Jahren wurden vom Marktplatz von Saaz nach Postelberg getrieben.

Etwa 2.200 Personen fielen Massakern zum Opfer. Die Toten seien in Splittergräben, und in Latrinen geworfen oder in Massengräber verscharrt worden. Es fanden auch Massenerschießungen von Kriegsgefangenen statt, berichtete Prof. Dr. Wollrab.

"Diese Massenmorde erfüllen den Tatbestand des Völkermordes, da sie mit Billigung der Staatsmacht erfolgten", brachte er klar zum Ausdruck. Das Wort Kollektivschuld bezeichnete Prof. Wollrab als "Unwort". Er forderte, die Aufarbeitung der Kriegs- und Nachkriegsverbrechen in der Tschechoslowakei. Die Benesch-Dekrete stellten eine Belastung für Europa dar.

Türkei leugnet Völkermord an den Armeniern

Über den Völkermord an den Armeniern referierte Dr. Guido Sobiela-Caanitz (Schweiz). Er sprach die Russifizierung in Russischen Reich an, die zum Massenmord an etwa 200.000 Armeniern führten. Wie er weiter darlegte, kam es zwischen 1915 und 1918 in der Türkei zu einem unbeschreiblichen Blutbad unter der armenischen Bevölkerung. Dr. Soebiele-Caanitz kritisierte heftig, dass die Türkei diesen Völkermord nicht anerkennt.

"Man sollte sich von dem Traum einer geschlossen Rückkehr verabschieden"

Horst Löffler befasste sich mit dem Thema "Rückkehr Deutscher in die alten Siedlungsgebiete". Nach seinen Ausführungen gibt es trotz der offenen Grenzen keinen rechtlichen Status für Vertriebene, die zurückkehren wollen. Im Rahmen der EU-Regelungen würden sie als EU-Ausländer behandelt.

Löffler zeigte unverblümt auf, man solle sich "von dem Traum einer geschlossenen Rückkehr verabschieden". Rückkehrer würden eine fremde Umwelt, eine fremde Sprache und fremde Menschen vorfinden. Viele Dörfer und Gebäude wären nicht mehr existent. Als Beispiel für den Willen nicht zurückzukehren, nannte er die Ungarndeutschen. Obwohl in Ungarn die Wiederansiedlung am attraktivsten sei, wären nur ganz wenige Ungarndeutsche bereit, in ihrer Heimat einen Wohnsitz zu begründen.

Löffler ging auch auf die Gründe ein, die einer Rückkehr entgegenstehen. Als wichtigste Ursache nannte er wirtschaftliche Gründe. Die Heimatvertriebenen wollten ihre gesicherte Lebensgrundlage nicht aufgeben und neu anfangen. Nach 60 Jahren seien die Menschen in Deutschland verwurzelt. Er schloss jedoch nicht aus, dass Kinder von Vertriebenen aus wirtschaftlichen Gründen sich in den Heimatgebieten ansiedeln könnten, um eine neue Existenz aufzubauen.

Löffler rief dazu auf, die deutsche Minderheit in den Heimatgebieten zu unterstützen.

Den in der Heimat verbliebenen müsse das Gefühl vermittelt werden, "dass sie nicht alleine sind und die Solidarität ihrer vertriebenen Landsleute haben".

Russlanddeutsche dürfen nicht Sündenböcke der Nation sein

Der Wiesbadener Journalist Adolf Wolf brach eine Lanze für die Spätaussiedler aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Obwohl Integrationsprobleme nicht verhehlt werden dürften, werde diese Personengruppe oft zu Sündenböcken abgestempelt. Wolf verwies auf das schwere Schicksal der Russlanddeutschen.

Der Gesetzgeber gehe bei Russlanddeutschen, die im Rahmen des Aufnahmeverfahrens nach Deutschland kommen, von einem Kriegsfolgeschicksal aus. Wolf unterstrich besonders, dass der Zuzug durch verschärfte Gesetzesvorschriften erheblich zurückgegangen sei. Er führte das auf die Regelung zurück, dass nichtdeutsche Ehegatten deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen. Wolf übte heftige Kritik daran, dass an die fremdvölkischen Ehegatten von Spätaussiedlern höhere Anforderungen bezüglich der deutschen Sprache gestellt würden, als bei anderen Zuwanderergruppen.

Internationaler Willi Wanka Kreis fordert würdige Bestattung der Toten in den Massengräbern in der Tschechischen Republik

Der Vorstand des Internationalen Willi-Wanka-Kreises fasste weiter einstimmig eine Entschließung, wonach die Bundesregierung aufgefordert wird , "auf eine Regelung hinzuwirken, dass die heute noch in der Tschechischen Republik in Massengräber verscharrten Opfer von Gewalt in eine würdige Ruhestätte überführt werden".

Adolf Wolf
im September 2008