Ermittlungsverfahren gegen die Mörder von Postelberg neu aufgerollt

In der Umgebung von Saaz, insbesondere in Postelberg, kam es kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu grausamen Massakern unter der deutschen Zivilbevölkerung. Bereits im Jahre 1947 untersuchte eine tschechoslowakische, parlamentarische Untersuchungskommission diese Massenmorde. Die Zahl der Toten variiert zwischen 1.100 und 5.000, wie aus einem Bericht von Mitarbeitern des Prager Innenministeriums vom 2. Juli 1947 an Innenminister Nosek hervorgeht. Es erfolgte jedoch keine Anklage gegen die Mörder. Vielmehr versuchte die tschechoslowakische Regierung den Massenmord zu vertuschen, um das Ansehen im Ausland nicht zu schädigen.

Nach der Wende in der Tschechoslowakei erstatten Jiri Honak, Vladimir Karfik, Dusan Karpatsky und Ludvik Vaculic im Jahre 1995 Strafanzeige wegen Mordes bei der Oberstaatsanwaltschaft in Prag gegen den Stabskapitän Jan Zicha, den Oberleutnant Jan Cubka, den Staatskapitän Voijtech Cerny, den Polizisten Bohumils Marek und General Spaniel. Sie wurden beschuldigt, als Angehörige der tschechoslowakischen Armee, im Mai 1945 an der Erschießung von 763 Personen in Postelberg beteiligt gewesen zu sein.

Befehle zu den Massenmord kamen aus Prag- Kollektive Bestrafung der Deutschen

Mit den Ermittlungen auf Grund der vorstehenden Strafanzeige wurde die Bezirksermittlungsbehörde Aussig an der Elbe beauftragt. Die Ermittler sichteten zahlreiches Archivmaterial. Sie werteten auch Abschlussbericht des tschechoslowakischen Innenministeriums vom 2. Juli 1947 aus. Darin kommt deutlich zum Ausdruck, dass die Massenmorde als Vergeltung für die "Gräueltaten der Deutschen" verübt wurden.

In dem Abschlussbericht des Innenministeriums wird dazu ausgeführt: "Aus der Gesamtermittlung geht hervor, dass die Verantwortlichen für diese Gräueltaten und für die durchgeführten Hinrichtungen vor allem den Mitgliedern der Armee, die eigentlich noch in der Zeit während des Krieges in dieses Land kamen und für die ein Menschenleben absolut keinen Wert hatte, zu suchen sind. Man kann diese Angelegenheit nur von diesem Standpunkt betrachten und man kann dafür nicht die Mitglieder irgendeiner Partei oder gar eine politische Partei verantwortlich machen. Diese Tätigkeit der Soldaten war der einheitliche Ausdruck des Wunsches des gesamten tschechischen Volkes nach der verdienten Vergeltung für die Gräueltaten der Deutschen, und keiner nahm zur damaligen Zeit an ähnlichen Taten Anstoß. Diese Frage, das heißt die Frage der Vorfälle in Postelberg, muss ohne jeglichen Eingriff in die breite Öffentlichkeit geklärt werden, denn sie könnte ernsthaft die Interessen des tschechoslowakischen Staates im Ausland gefährden".

In dem Ermittlungsbericht wird weiter auf die Vernehmung der Beschuldigten am 30. und 31. 7. 1947 durch die Untersuchungskommission Bezug genommen. Dazu wird Folgendes vermerkt: "Es ist nicht möglich, aus den durchgeführten Vernehmungen ein genaues Datum abzuleiten, wann mit der Zusammenziehung der deutschen Bevölkerung in Postberg begonnen wurde. Höchstwahrscheinlich geschah dies nach der ersten Welle der unorganisierten Verhaftung der Funktionäre der SS, SA. NSKK, Wehrmacht, SdP, NSDAP , Hitlerjugend usw. - folglich um den 27. 5. 1945."

"Die Organisatoren schildern die Zusammenziehung äußerst widersprüchlich, jedoch Voijtech Cerny gibt zu, dass sie die Befehle zu dieser Aktion bereits aus Prag mitgebracht hätten. Die einzelnen Beteiligten leugnen ihre Teilnahme an den nachfolgenden Durchsuchungen und Geschehnissen. Es besteht keine Zweifel, dass es im Ort der Internierung, das heißt in den Kasernen von Postelberg zu den verschiedensten Gewalttätigkeiten kam. Die Häftlinge wurden nach und nach hingerichtet."

"Aus den überlieferten Materialien und Aussagen ist es nicht möglich, eindeutig festzustellen, wer sie anordnete und wer die ausführte. Die Vernommenen geben zu, dass es zu Hinrichtungen kam, ihre Aussagen über die Zeit stimmen überein, jedoch schieben sie die Schuld einer auf den anderen. Es scheint am wahrscheinlichsten, dass die meisten Hinrichtungen von Soldaten des OBZ durchgeführt wurden, was in seiner Aussage auch Jan Cubka zugab. Voijtech Cerny gab zu, dass er in der Kaserne den Befehl gab, vier deutsche Jugendliche wegen eines Fluchtversuchs zu erschießen. Es gelang auch durch ein paar Gegenüberstellungen nicht, die Widersprüche zu beseitigen durch die präzisiert werden sollte, wer sich auf welche Art und Weise an der Zusammenziehung der Deutschen beteiligt hatte und wer den Befehl gab, hundert Hacken und Spaten zu besorgen u.s.w. Obwohl die Situation im Mai und Juni 1945 kompliziert und unübersichtlich ist, ist auch die Angst der Vernommenen den wahren Sachverhalt zuzugeben, ersichtlich. Die Mehrheit der Vernommenen, vornehmlich der Soldaten, ist die Beteiligung an den untersuchten Geschehnissen, sei es auch nicht direkt, nachzuweisen".

Bezirksermittlungsamt Aussig übte Kritik an der Untersuchungskommission

Das Bezirksermittlungsamt Aussig an der Elbe kommt bezüglich der 1947 durchgeführten Untersuchung zu folgender Beurteilung: "Aus heutiger Sichtweise besteht keine Möglichkeit mehr, die Mängel der Arbeit der parlamentarischen Kommission auszubessern. Die Vernehmungen wurden nicht tief greifend genug geführt, es fehlt an einer genauen Datierung, die grundlegenden Widersprüche wurden nicht beseitigt, es wurden keine Ermittlungen unter der Bevölkerung als direkte Teilnehmer durchgeführt, und vor allem wurde bis auf eine Ausnahme keiner der internierten Deutschen vernommen bzw. auch kein Versuch der Feststellung der Identität der Täter unternommen. Dabei ist ersichtlich, dass ein Teil der ausländischen Soldaten der I. tschechoslowakischen Division nicht demobilisiert wurde, und zum Zwecke der Wiederbesiedlung des Landes verblieben ist."

"Auch die zum damaligen Zeitpunkt leicht zugänglichen Zeitdokumente, zum Beispiel Befehle u. s. w. wurden nicht gesichert. Die Kommission ist somit der Empfehlung des Innenministers Nosek, die Sache ohne jeglichen Eingriff zu lösen, gefolgt….. Die Angelegenheit wurde zweifellos, sowohl aus politischer Sicht der einzelnen Abgeordneten- Mitglieder der Kommission, als auch aus Sicht der Stellung der Republik vor der Öffentlichkeit beurteilt……"

Die Bezirksermittlungsbehörde Aussig an der Elbe begründet die Einstellung der Ermittlungen wie folgt: "Weder durch die Untersuchungen im Gelände, noch durch Studium der Literatur oder von Zeitungsartikeln gelang es, einen Augenzeugen zu bestimmen, auf Grund dessen Zeugenschaft man die Mitteilung der Anschuldigung einer konkreten Person in Betracht kommen könnte……. Unter diesen Umständen bleibt nur festzustellen, dass es zu den in der Anzeige genannten Geschehnissen zweifellos kam, zum gegenwärtigen Stand der Beweisnot besteht jedoch nicht die Möglichkeit, im Sinne des § 160 Abs. 1 der Strafprozessordnung zu verfahren, also wurde deshalb die Aufschiebung der Sache beschlossen…….".

Nach einer Strafanzeige eines Sudetendeutschen blieb ein weiteres Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hof ohne Erfolg.

Weiteres Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Massenmorde

Da weitere Tatverdächtige bekannt geworden sind, stellte der Autor dieses Beitrages eine weitere Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hof. Es stehen in Verdacht der Beteiligung an Massenmorden bzw. zu dessen Anstiftung, der Oberstleutnant im Generalstab Buda, Oberstleutnant Cermak, Oberstleutnant Durt, Major Fisera, Major Lange, General Klapadek, General Prohazka und Hauptmann Steiner.

Die Staatsanwaltschaft Hof leitete erneut ein Ermittlungsverfahren ein. Die Ermittlungen wurden jedoch vorläufig eingestellt. In der Verfügung der Staatsanwaltschaft Hof heißt es dazu: "Die Personalien und der Aufenthaltsort der Beschuldigten, die sämtlich wohl tschechische Staatsangehörige sind und sich wohl, soweit sie noch am Leben sind, auf dem Gebiet der Tschechischen Republik aufhalten, sind derzeit noch unbekannt, so dass das Verfahren vorläufig einzustellen ist." "Zur Ermittlung der Beschuldigten und deren Aufenthaltsort wurden bereits in anderweitigen Ermittlungsverfahren Rechtshilfeersuchen an die Strafverfolgungsorgane der Tschechischen Republik gerichtet. Sobald der Aufenthaltsort bekannt ist, wird das Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen".

Wie stufen die tschechischen Strafverfolgungsbehörden die Massenmorde an Deutschen ein?

Bisher sind Täter, die in der Tschechoslowakei an Massenmorden an Deutschen beteiligt waren, nicht vor Gericht gestellt worden. Die Tatverdächtigen waren bereits verstorben oder die konnten nicht ermittelt werden. In einem Fall ermittelten die tschechischen Strafverfolgungsbehörden eine Frau, eine Deutsche, die an den Massenmorden in der Umgebung von Teplitz beteiligt war. Diese Tatverdächtige beging nach einer Vernehmung durch die tschechische Polizei Selbstmord.

Es stellt sich die Frage, ob in der Tschechischen Republik zu einer Strafverfolgung kommt, wenn ein Tatverdächtiger tatsächlich ermittelt wird. Nach Mitteilung der Bezirksstaatsanwältin Lenka Bradacova verjährt Mord in der Tschechischen Republik in 20 Jahren. Wenn diese Massaker als einfacher Mord eingestuft werden, wird es keine Anklage in der Tschechischen Republik geben. Falls Täter bekannt werden sollten, könnten sie nur dann in Untersuchungshaft genommen werden, wenn sie die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland überschreiten.

Wichtig ist jedoch, dass diese Massaker auch politisch aufgearbeitet werden. Die bei den Gräueltaten ermordeten Deutschen dürfen nicht Opfer zweiter Klasse sein.

Adolf Wolf
im September 2008