Tschechische Regierung verweigert Kriegsgräberabkommen

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu grausamen Massakern unter der deutschen Zivilbevölkerung. Angehörige der tschechoslowakischen Armee, Partisanen und auch Zivilisten verübten Massenmorde. Die Opfer wurden in Massengräbern verscharrt. Zu nennen sind beispielsweise die Massenmorde in Postelberg, in Nachod und in der Umgebung von Teplitz.

Während über die Bestattung der Kriegstoten ein Abkommen mit der Tschechischen Republik besteht, weigert sich die tschechische Regierung ein Abkommen über die würdige Beisetzung von Opfern dieser Exzesse nach dem Zweiten Weltkrieg zu schließen. Die Landesversammlung der Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft hatte in mehreren Entschließungen ein solches Abkommen angemahnt. Die letzte diesbezügliche Entschließung fasste die Landesversammlung einstimmig am 14. April 2007. In dieser Entschließung heißt es unter anderem:

Die in Fulda versammelten Delegierten der Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft fordern die Regierung der Tschechischen Republik mit großem Nachdruck auf, mit der Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen über die würdige Bestattung von Zivilpersonen, die nach dem Zweiten Weltkrieg Opfer grausamer Exzesse wurden, zu schließen." Die Delegieren üben Kritik an der Verweigerungshaltung der tschechischen Seite. [...]
Die Opfer von Terror und Gewalt wurden nach Zeitzeugenberichten außerhalb der Friedhöfe in Massengräber verscharrt. [...]
Mit unserer Forderung soll keine Anklage gegen das tschechische Volk erhoben werden. Schuld ist immer individuell. Europäische Kulturnationen sind es ihren Toten schuldig, dass sie würdig beigesetzt werden.

Diese Entschließung wurde an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier sowie an die Fraktionsvorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien geschickt.

Das Bundeskanzleramt teilte daraufhin Folgendes mit:

Der Bundeskanzlerin sind die furchtbaren Umstände von Flucht und Vertreibung von Millionen Deutscher, insbesondere auch der Sudetendeutschen, sehr bewusst. Die Vertriebenen haben für den von Deutschland zu verantworteten Zweiten Weltkrieg viel Leid erfahren. Die Bundesregierung bekennt sich daher zur gesellschaftlichen Aufarbeitung von Zwangsmigration, Flucht und Vertreibung.
Die Bundesregierung hat den völkerrechtswidrigen Charakter der Vertreibung, die entschädigungslose Enteignung von Vermögen Deutscher sowie die Benesch-Dekrete stets verurteilt. Wir müssen leider zu Kenntnis nehmen, dass die tschechische Regierung in dieser Frage eine andere Rechtsauffassung vertritt. Es verbleibt in dieser Situation keine andere Möglichkeit, als durch weitere Vertiefung und Verbreiterung der Kontakte einen Bewusstseinswandel auf der tschechischen Seite herbeizuführen, der auch dort eine unvoreingenommene Bewertung der Vorgänge ermöglicht. Hier durch wird es hoffentlich gelingen, doch noch ein Kriegsgräberabkommen mit der Tschechischen Republik zu schließen. Wie Ihnen das Auswärtige Amt bereits mitgeteilt hat, sind in dieser Frage jedoch leider keine Fortschritte zu erwarten. Um so erfreulicher ist es daher, dass trotz des nach wie vor fehlenden Kriegsgräberabkommens immer wieder pragmatische Lösungen gefunden werden können.
Für Ihr Engagement, den sudetendeutschen Opfern der unmittelbaren Nachkriegszeit ein ehrendes Gedenken zu bewahren, danke ich Ihnen. Die Bundesregierung unterstützt Ihr Anliegen einer würdevollen Bestattung mit Nachdruck.

Das Auswärtige Amt nahm zu der Entschließung wie folgt Stellung:

Die Bundesregierung hat sich stets dafür eingesetzt, die Opfer der unmittelbaren Nachkriegszeit in den Anwendungsbereich des deutsch-tschechischen Kriegsgräberabkommens aufzunehmen. Ein Abkommenstext, der dieser Absicht Rechnung trug, war mit der Tschechischen Republik bereits unterschriftsreif verhandelt worden.
Die Tschechische Republik hat der zunächst zugestandenen Einbeziehung der Opfer der unmittelbaren Nachkriegszeit jedoch schließlich nicht zugestimmt und mit Schreiben vom 28. April 2005 endgültig bekräftigt, dass die diesbezüglich verhandelte Regelung von der Tschechischen Republik abgelehnt werde. Aus Sicht der Bundesregierung sind weitere Bemühungen derzeit nicht zielführend. Nach Einschätzung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., den die Bundesregierung mit Bergung und Bestattung deutscher Kriegsopfer betraut hat, ist aufgrund unproblematischer Arbeitsbeziehungen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik im Kriegsgräberbereich ein Abkommen nicht unbedingt erforderlich. Die aktive Unterstützung der tschechischen Regierung bei der Suche nach einer würdigen Begräbnisstätte für die 2006 in Aussig aufgefundenen Toten zeigt, dass diese Zusammenarbeit in der Praxis gut funktioniert.
Die Bundesregierung hart deshalb entschieden, vorläufig keine weiteren Schritte zur Unterzeichnung des Abkommens zu unternehmen, sondern die Bergung von Toten des Zweiten Weltkriegs auch künftig auf der Grundlage von Artikel 30 des Deutsch-Tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages von 1992 durchzuführen. Sie bleibt weiterhin bemüht, den Opfern von Krieg und Vertreibung ein würdiges Begräbnis zu ermöglichen.

Adolf Wolf