Seminar des Deutsch-Europäischen Bildungswerks in Franzensbad/Frantiskovi Lazne

Der Eiserne Vorhang muss in den Köpfen der Menschen beseitigt werden

Während die oberste politische Ebene in der Tschechischen Republik jegliche Gespräche mit Vertretern der Sudetendeutschen ablehnt, ist die Verständigung auf der kommunalen Ebene schon weit fortgeschritten. Das zeigte auch ein Seminar, das das Deutsch-Europäische Bildungswerk, Wiesbaden, in Franzensbad/Frantiskovi Lazne durchführte. Die Veranstaltung erfolgte im Rahmen der Städtepartnerschaft Bad Soden-Franzensbad/Frantiskovi Lazne und stand unter dem Motto "Deutschland und die Tschechische Republik - der Weg vom Eisernen Vorhang zum EU-Beitritt".

Städtepartnerschaften - eine Brücke zwischen Nachbarn

Die Bürgermeisterin von Franzensbad, Libuse Chrastova, stellte heraus, dass die Hindernisse in Bezug auf eine Verständigung in den Köpfen der Menschen beseitigt werden müssten. Wenn die Grenzen in den Herzen der Menschen weggefallen seien, dann könne erst von einer endgültigen Verständigung gesprochen werden. Es komme jetzt darauf an, sich mit der in der Vergangenheit angerichteten Schäden zu befassen, um die innere Ruhe zu finden.

Der neu gewählte Bürgermeister von Bad Soden, Norbert Altenkamp, sagte in seinem Grußwort, die beiden Kulturen müssten sich gegenseitig kennen lernen. Er warnte vor Gleichgültigkeit gegenüber der Geschichte.

Kurt E. Bender, Altbürgermeister von Bad Soden, berichtete über die zahlreichen Aktivitäten im Rahmen der Städtepartnerschaft. Bender war vor kurzer Zeit die Ehrenbürgerschaft von Franzensbad/Frantiskovi Lazne verliehen worden. Er rief zum Handeln auf. Zur Vergangenheit bemerkte er, wenn jemand den Mut aufbringe Unrecht einzugestehen und sich zu entschuldigen, dann sei "der Acker gut bestellt".

EU-Studie über Erweiterung

Dr. Pavla Tiserova berichtete über die Studie der Technischen Universität Chemnitz über die Einstellung der Bevölkerung zur EU-Erweiterung auf beiden Seiten der Grenze. Das Projekt wurde im Auftrage der Europäischen Union durchgeführt.
Sie stellte ihren Vortrag, der mit Bildern untermalt wurde, unter den Leitgedanken "Hoffnung- Skepsis". Nach Befragungen im Jahre 2000 habe auf beiden Seiten Skepsis in Bezug auf die EU-Erweiterung geherrscht. Die Euroskepsis sei auf der deutschen Seiten größer gewesen als auf der tschechischen. Die Befragungen wurden in Bärenstein und auf der tschechischen Seite in Weipert/Wiperty durchgeführt.
Als Beispiel führte sie an, in Weipert/Vejprty hätten Befürchtungen bestanden, nach dem Beitritt würde alles noch viel schlimmer werden. In Bärenstein gab es Ängste, Arbeitsplätze könnten in die Tschechische Republik verlegt werden.
Auch mangele es an Begegnungen. Das "Sächsische Haus der Begegnung" in Bärenstein als binationaler Treffpunkt sei nicht genutzt worden. Es habe kein Jugendaustausch stattgefunden. In Bezug auf Europa hätte die ältere Generation im Gegensatz zur jüngeren keine Vorstellungen gehabt.

Gute Kontakte zu Vertriebenen

Der stellvertretende Bürgermeister von Asch/As, Jiri Knedlik berichtete über gute Erfahrungen bei der deutsch tschechischen Zusammenarbeit im Grenzgebiet.
Er ging weiter auf die Vergangenheit der früheren reichen Textilstadt Asch/As ein. Heute gebe es nur noch einen einzigen Betrieb dieser Art mit 100 Beschäftigen.
Zum deutsch-tschechischen Verhältnis bemerkte er, die Jugend interessiere die Vergangenheit nicht. Sie richte den Blick darauf, wo sie in Europa studieren und arbeiten könne. Er hob weiter die guten Kontakte mit den aus Asch und Umgebung Vertriebenen hervor. Er verwies in diesem Zusammenhang auf den Patenschaftsvertrag zwischen der Stadt Asch/As und der ehemaligen deutschen Gemeinde Wernersreuth. Ein Vertrag mit den vertriebenen Aschern aus der Kernstadt sei in Vorbereitung. Nach Auffassung des stellvertretenden Bürgermeisters müssen alle Vorbehalte zwischen den Vertriebenen und den Tschechen beseitigt und die Geschichte objektiv aufgearbeitet werden. Er berichtete auch von Ängsten der Bevölkerung von Asch/As.Es bestehe die Befürchtung die in Asch/As angesiedelten ausländischen Betriebe könnten weiter nach Osten verlagert werden, da dort die Lohnkosten niedriger seien. In diesem Fall steige die Arbeitslosenquote von 9, 5 % auf 20%.

Junge Generation ohne Vorurteile

Über die unbefangene Einstellung der jungen Generation zur deutsch-tschechischen Vergangenheit konnte Georg Rak, Vorsitzender des Bundes der Deutschen,Landschaft Egerland in Eger/Cheb berichten. Schüler von tschechischen und deutschen Gymnasien befassten sich mit dieser Vergangenheit. Bei der jungen Generation beständen keine Vorteile. So pflegten deutsche und tschechische Schüler gemeinsam deutsche Friedhöfe. Weiter stellte er fest, die deutsche Kultur sei mit der Vertreibung der Deutschen vernichtet worden.

Die deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik

Mit der Lage der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik setzte sich Dr. Frank Boldt, von Comenius - Institut in Eger/Cheb auseinander. Die Vertreibung der Deutschen nannte er einen großen Verlust für die Tschechen. Er übte Kritik daran, dass für die hohe tschechische Politik die Vertreibung der Sudetendeutschen ein Tabu sei. Es bestehe keine Bereitschaft über die eigene Schuld zu reden. Die Vertreibung der Sudetendeutschen bezeichnete er als eine "Flurbereinigung" und ethnische Säuberung. Die zurückgeblieben Deutschen hätte man unterdrückt und tschechisiert. Sie seien zur kleinsten Minderheit in der Tschechischen Republik geworden.
Auch Dr. Frank Boldt trat für eine objektive Aufarbeitung der Geschichte ein. "Unbeerdigte Probleme sind wie unbeerdigte Menschen", fuhr er fort. Die ungelösten Probleme kämen immer wieder an die Oberfläche.

Das böhmische Bäderdreieck

Der Direktor des Museums von Karlsbad Dr. Stanislav Burachovic und Manfred Hüber, stellvertretender Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Hessen, referierten über das "böhmische Bäderdreieck" Karlsbad, Marienbad und Franzensbad. Diese Weltbäder seien Jahrhunderte lang kulturelle Metropolen gewesen.

Nato-Garant für Stabilität in Europa

Leopold Chalupa, während des Kalten Krieges Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte Mitte, spannte in seinem Vortrag einen Bogen von Kalten Krieg bis zum Beitritt der Tschechischen Republik zur Nato. Dieses Bündnis nannte er einen Garanten der europäischen Stabilität.

Über die Grenzsperranlagen zwischen der Tschechischen Republik und der damaligen Bundesrepublik Deutschland ist der jungen Generation kaum etwas bekannt. Adolf Wolf referierte über seine Erfahrung am "Eisernen Vorhang", über Flüchtlinge und Schießbefehl der tschechoslowakischen Grenztruppen.

Seminare ein Weg zur Verständigung

Der Vorsitzende des Deutsch-Europäischen Bildungswerks, Hartmut Saenger, bewertete das Seminar als einen vollen Erfolg. Das zeige sich darin, dass Bürgermeister an dieser Veranstaltung teilgenommen hätten. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der Bürgermeister von Eger/Cheb, Dr.Svoboda.
Hartmut Saenger betonte besonders die Zielsetzung des Deutsch-Europäischen Bildungswerks, Verständigung durch Begegnungen herbeizuführen. Seit 1991 habe das Bildungswerk insgesamt 41 solcher Seminare auf dem Gebiet der Tschechischen Republik durchgeführt.
Das Seminar fand auch Interesse der Printmedien. In Eger/Cheb erscheinenden Zeitungen berichteten über diese Veranstaltung.

Adolf Wolf