Im deutsch-tschechischen Verhältnis muss die Wahrheit siegen

Der Begriff "ethnische Säuberungen" ist eine Wortschöpfung, die erst nach den letzten kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien entstanden ist. Heute wird dieser Begriff auch für die nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Vertreibung von Deutschen aus ihrer angestammten Heimat gebraucht.

Vertreibung der Sudetendeutschen war ethnische Säuberung

Der Prager Publizist Emanuel Mandler hatte die Feststellung getroffen, "die ethnischen Säuberungen nach dem Krieg" seien der erste Schritt auf dem Weg zu einem slawischen Nationalstaat gewesen.

In einem Kommentar für die tschechische Zeitung "Mlada fronta Dnes" wandte sich der tschechische Präsident Vaclav Klaus gegen diese Darstellung.
Klaus bemerkte dazu, diese Behauptung sei "unglaublich". Mandler verkehre Ursache und Wirkung und schreibe die Geschichte um. Der tschechische Präsident führte dazu aus: "Unser Land hat den Krieg nicht ausgelöst, um ein Territorium ethnisch zu säubern. Unser Land hat in Absprache mit den Siegermächten den damaligen Augenblick und die eindeutige Atmosphäre genutzt, in der die Meinung vorherrschte, dass die Schuldigen am Weltkrieg bestraft werden müssen und dass eine Reihe präventiver Maßnahmen nötig sind, um einen neuen Krieg zu verhindern …. Niemand hatte die Schaffung eines ethnisch reinen slawischen Staates auf unserem Territorium zum Ziel".

Benesch plante bereits 1938 die Vertreibung der Sudetendeutschen

Der tschechische Präsident Vaclav Klaus irrt. Bereits im Jahre 1938 hatte Edward Benesch im Exil die vollständige Vertreibung der Sudetendeutschen ins Auge gefasst. Nach einem Brief seines Parteifreundes Hubert Ripka, der später in der Exilregierung und im Nachkriegskabinett hervortrat, ist der extreme Gedanke des vollständigen "Transfers" der Sudetendeutschen in die Überlegungen einbezogen worden.

Ripka schrieb in den "Sozialistischen Nachrichten", London Nr. 19, vom 16.Juli 1941: "Es wird notwendig sein, mit allen angemessenen Mitteln, eventuell auch durch eine organisierte Anwendung des Prinzips der Umsiedlung von Bevölkerungen, Deutschland an dem Missbrauch seiner nationalen Minoritäten für seine pangermanischen Ziele zu hindern. Jedenfalls sollte man anstreben, die kleinen mitteleuropäischen Staaten so zu rekonstruieren, dass sie national gleichartig sind und dass innerhalb von ihnen die Bedeutung des Minoritätenelements auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird."

Benesch erklärte 1945 in Pilsen: "Die Regierung ist sich der Bedeutung des Verrats der Deutschen und Ungarn im Jahre 1938 wohl bewusst und sie hat deshalb mit Recht den Beschluss gefasst, die Republik von diesen verräterischen Elementen zu säubern. Diese Aufgabe ist umfassend und wir können sie deshalb nicht allein lösen, wir müssen im Einklang mit der Sowjetunionen, Großbritannien und den Vereinigten Staaten vorgehen.

Massaker von Aussig sollte als Vorwand für die Vertreibung dienen

Durch gezielte Maßnahmen versuchte die tschechoslowakische Regierung die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs zu überzeugen, dass ein Zusammenleben zwischen Tschechen und Deutschen unmöglich und die Vertreibung unumgänglich sei. Ein beredtes Beispiel ist das Massaker in Aussig und auf der Elbebrücke am 31.Juli 1945. In der vom damaligen Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte herausgegebenen Dokumentation wird dazu ausgeführt: "So wurde am 31. Juli 1945 wahrscheinlich durch Unachtsamkeit ausgelöste Explosion eines Munitionslagers in dem Aussiger Vorort Schönpriesen von den Tschechen als Sabotageaktion des Wehrwolfs ausgelegt. Die aufgehetzte Menge veranstaltete daraufhin ein Blutbad unter der deutschen Bevölkerung, griff sie auf den Straßen an oder holte sie aus den Wohnungen und machte sie nieder."

Als die Arbeiter der Firma Schicht AG nach Arbeitsschluss über die Elbebrücke zu ihren Wohnungen strömten, wurden sie von einer fanatischen Menge auf der Brücke zusammengeschlagen, zum Teil niedergemacht oder in die Elbe geworfen. Selbst vor Frauen und Kindern machte der Mob nicht Halt. Polizei und tschechisches Militär versuchten nicht, das Morden zu verhindern, sondern beteiligten sich sogar noch daran. Die gesamte Zahl der Opfer wird sich nie ermitteln lassen. Die Angaben schwanken zwischen 1.000 und 2.700

Tschechische Historiker befassen sich mit dem Blutbad von Aussig/Usti nad Labem

Heute befassen sich tschechische Historiker mit den blutigen Ereignissen in Aussig/Usti nad Labem. Der tschechische Historiker Tomas Stanek schreibt in seinem Buch "Verfolgung 1945", die Ergebnisse der Untersuchung, an der sich bereits am 1.August der Verteidigungsminister, General Svoboda, und der Minister des Innern, V. Nosek persönlich beteiligten, liefen darauf hinaus, dass die Schuldigen an diesem Unglück in Schönpriesen Angehörige des Wehrwolfs sowie deren Helfershelfer seien, obwohl nämlich zu diesem Zeitpunkt für eine derartige Behauptung keine direkten, eindeutigen Hinweise existierten.

Die Potsdamer Entscheidung, die Vertreibung zeitweise auszusetzen, sah die tschechoslowakische Regierung als "belastende Angelegenheit" an. Die Regierung stellte fest, dass "es unser Bestreben sei durch Hinweise auf terroristische Taten der Deutschen (Feuer in Aussig/Usti nad Labem an der Elbe, Tätigkeit des Wehrwolfs und ähnliches), die möglichst schnelle Ausarbeitung des Abschubplanes und seine Billigung durch die Großmächte erzwingen zu können."

Zu der Zahl der Opfer des Massakers von Aussig/Usti nad Labem führt Stanek aus: V Nosek habe in der Regierungssitzung am 3. August 1945 mitgeteilt, dass etwa sechzig aus der Elbe herausgezogen worden sind (Tote) und dass "etliche erschlagen worden sind".

In einer amtlichen Mitteilung, die dem tschechoslowakischen Innenministerium vorgelegt wurde, heißt es: dass ungefähr fünfzig Menschen erschlagen wurden, doch wie viele in die Elbe geworfen wurden konnte mit Sicherheit nicht ermittelt werden.

In Aussig/Usti nad Labem das Massaker kein Tabuthema mehr

In Aussig an der Elbe ist das Massaker von 1945 kein Tabuthema mehr.

Historiker befassen sich mit diesen Ereignissen. Radio Prag brachte in einer Sendung über das Kriegsende in Aussig einen Beitrag darüber. Dabei kamen einen Zeitzeugin und ein Aussiger Historiker zu Wort. Wie der Zeitzeuge, Hans Adamec, berichtete, waren an dem Massaker tschechische Einwohner von Aussig nicht beteiligt.

Wichtig sind die Aussagen des Aussiger Historikers Martin Vesely. Auf die Frage: Bis sich Ende 1989 die Archive öffneten, befasst man sich in Usti-Aussig mit jenem Massaker an der deutschen Bevölkerung. Heute ist sicher, dass die an den Ausschreitungen beteiligten Tschechen nicht aus der Stadt selbst stammten, sondern von anders her mit einem bestimmten Auftrag nach hier gebracht wurden?

Dazu erklärte der Historiker Vesely: Meiner Meinung nach war das keine spontane Aktion, das Massaker, das nach der Explosion in der Munitionsfabrik stattfand. Die letzten historischen Forschungen kamen auch zu dem Ergebnis, dass es kein Zufall war, sondern eine gezielte Aktion, wobei noch nicht klar ist, wer sie genau initiiert hat. Gewisse Indizien weisen darauf hin, dass wohl das Innenministerium und auch das Verteidigungsministerium dahinter standen.

Gedenktafel für die Opfer des Massakers

Eine Geste der Versöhnung erbrachte der Oberbürgermeister von Aussig/Usti nad Labem, Petr Gandalovic.

Er enthüllte eine Gedenktafel, die für die Opfer des Massakers auf der Benesch-Brücke angebracht wurde. Die Inschrift in deutscher und tschechischer Sprache lautet: Zum Gedenken an die Opfer der Gewalt am 31. Juli 1945.
Oberbürgermeister Gandalovic führte dazu aus, mit der Gedenktafel solle nicht Wirkung von Krieg und Nachkriegsereignissen relativiert, sondern die unnötigen Opfer gewürdigt werden. Der Stadtrat hatte einstimmig beschlossen, diese Gedenktafel anzubringen.

Der Aussiger Historiker, Dr. Vladimir Kaiser, bemerkte dazu in einer Sendung von Radio Prag, vor zehn Jahren sei ein solcher Schritt, der bei der tschechischen Opposition auf Kritik stieß, nicht möglich gewesen. Damals hätten extremistische Gruppen gedroht, einen Pietätsakt für sudetendeutsche Opfer zu stören. Die Mehrheit der Aussiger Bevölkerung hingegen sei schon damals längst reif für einen solchen Schritt gewesen. Die Aussiger hätten bereits vor der Wende Freunde unter den Deutschen und Sudetendeutschen gehabt.

Zur jüngeren Generation bemerkte Kaiser, sie habe unbelasteter und pragmatischer Zugang zu den damaligen Geschehnissen. Als entscheidend sah er es an, diese historischen Ereignisse zu erforschen und publik zu machen.

Solche Massaker wie auf der Brücke von Aussig am 31. Juli 1945 sollen ein ausdrücklicher Appell an die Zivilcourage jedes Einzelnen sein, Widerstand gegen Gewalt zu leisten.

Adolf Wolf