SL Hessen

Gedenken an 4. März 1919 dient der Erinnerung und Mahnung

Gedenkfeier der Sudetendeutschen auf dem Friedhof in Lauterbach

Lauterbach: Alljährlich wird am 4. März auf dem Friedhof in Lauterbach der 54 Sudetendeutschen gedacht, die an diesem Tage im Jahre 1919 bei friedlichen Demonstrationen für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes vom tschechoslowakischen Soldaten getötet wurden. Anton Lerch, Kreisvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), wies zu Beginn der kleinen Feierstunde darauf hin, dass mit diesem Gedenken jene historischen Schreckensereignisse nicht in Vergessenheit geraten sollten, sie zugleich aber auch mahnend für ein zukünftiges friedliches Miteinander unter den Völkern und Volksgruppen in Europa stünden. Denn um ein gemeinsames Zusammenleben der Menschen zu verwirklichen, bedürfe es zunächst des Wissens und der Auseinandersetzung über die Vergangenheit. So gesehen, seien Veranstaltungen dieser Art selbst nach bald 100 Jahren weiterhin wichtig für das Verständnis zueinander, so Anton Lerch.

Siegbert Ortmann, stellvertretender SL-Bundesvorsitzender ging in seiner Gedenkrede sodann auf den konkreten Anlass der Demonstrationen vom 4. März 1919 im Sudetenland ein, nämlich den Wahlen zur Nationalversammlung der neuen Republik Deutsch-Österreich nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie. Damals hätten die tschechoslowakischen Organe die Teilnahme der sudetendeutschen Bevölkerung an diesen ersten Parlamentswahlen unterbunden, obwohl die Prager Unterhändler bei der Friedenskonferenz in Paris im Januar 1919 die Einführung von Freiheit und Demokratie für die Angliederung der deutschsprachigen Gebiete zugesichert hätten. Die sudetendeutschen Demonstranten hätten ihrerseits auf dem von dem damaligen US-Präsidenten Wilson programmierten Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grundprinzip der beabsichtigten Friedensregelung bestanden, wonach den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz im Kreis der Nationen gefestigt und gesichert und die Möglichkeit zu unbehinderter autonomer Entwicklung eingeräumt werden sollte. Der Konflikt eskalierte und endete schließlich besonders tragisch, als tschechische Soldaten wahllos in die Massen der friedlichen Demonstranten geschossen und dabei 54 Menschen getötet hätten, darunter auch Frauen und Kinder. Viele Male sei seit jenem denkwürdigen Tag das Selbstbestimmungsrecht der Völker mit Füßen getreten worden, Millionen von Menschen seien seither unter größten Opfern aus ihrer angestammten Heimat vertrieben worden. So gesehen seien die schrecklichen Ereignisse vom 4. März 1919 und deren Verarbeitung weiterhin aktuell und gleichzeitig eine geeignete Mahnung dafür, mit aller Entschiedenheit für das Recht auf die Heimat und das Selbstbestimmungsrecht einzutreten, und zwar für alle Völker und Volksgruppen.

Als große Volksgruppenorganisation habe die Sudetendeutsche Landsmannschaft, nicht zuletzt aus eigener, leidvoller Erfahrung in der Vergangenheit, diese Anliegen in ihren Arbeitsalltag übernommen. Erst kürzlich habe sie, so Ortmann, mit großer Mehrheit ihrer Delegierten in der Bundesversammlung eine Satzungsänderung durchgeführt, wonach der Verbandszweck u.a. wie folgt neu formuliert werde: "Die Sudetendeutsche Landsmannschaft wirkt an einer gerechten Völker- und Staatenordnung mit, in der die Menschen- und Grundrechte, das Recht auf die Heimat und das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Volksgruppen für alle gewahrt und garantiert werden. Dazu gehört auch, dass die EU-Grundrechtecharta in allen ihren Teilen für alle EU-Mitgliedstaaten uneingeschränkt verbindlich gemacht wird. Verstöße gegen diese Rechte wie Völkermord, Vertreibungen, Ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, menschen- und völkerrechtswidrige Enteignungen sowie Diskriminierungen sind weltweit zu ächten und dort, wo sie erfolgten, auf der Grundlage eines gerechten Ausgleiches zu heilen".

Mit dieser jetzt allgemein verständlichen Beschreibung der Aufgabenziele verbinde die Sudetendeutsche Landsmannschaft die begründete Hoffnung, dass sich 70 Jahre nach Krieg und Vertreibung, nach Phasen des Stillstands und der Rückschläge ein Dialog zwischen Tschechen und Sudetendeutschen auch auf oberer Ebene abzuzeichnen beginne, in dem alle offenen und heiklen Fragen "ohne Furcht und Zwang", wie es bereits in der Charta der Heimatvertriebenen von 1950 heiße, behandelt werden sollten. Und so setze sich die Sudetendeutsche Landsmannschaft weiter entschieden dafür ein, dass ihre Volksgruppe auch in den kommenden Generationen eine lebendige und vielfältige Gemeinschaft bleibe, die sich ihrer historischen sowie kulturellen Wurzeln bewusst sei und sich aus dieser Verantwortung heraus den aus ihrer Geschichte erwachsenen Aufgaben stelle, so Ortmann abschließend.

Text und Foto: Siegbert Ortmann
Im März 2015