Landeskulturtagung der SL-Landesgruppe Hessen in Wiesbaden

"Wir haben auf Rache verzichtet, aber nicht auf das Recht"

Der Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft hatte zu ihrer diesjährigen Kulturtagung in das Haus der Heimat nach Wiesbaden eingeladen.

Landesobmann Alfred Herold und Landeskulturreferent Helmut Seidel freuten sich bei der Begrüßung über die große Zahl der Teilnehmer, die aus ganz Hessen angereist waren. An dieser Veranstaltung nahm auch der Bundeskulturreferent der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Reinfried Vogler, teil.

Zu dem Thema: "2008 - sudetendeutsches Gedenkjahr - Bedeutung der historisch relevanten 8-er Jahre in der Geschichte Böhmens, Mährens und Schlesiens", referierte Prof. Dr. Rudolf Grulich. Dabei spannte er einen Bogen von 1618 bis zur Gegenwart. Einen Schwerpunkt legte er auf das Jahr 1848. Beim Slawenkongress 1848 sei die Vertreibung der Sudetendeutschen und anderer Volksgruppen bereits erstmals gefordert worden.

Auf das Schicksalsjahr 1918 eingehend, bemerkte Prof. Grulich, das Selbstbestimmungsrecht wurde nur den Siegermächten zugebilligt. Die Sudetendeutschen habe man völlig ausgeschlossen. Diese Entwicklung führte zum Zweiten Weltkrieg, stellte er fest. Er wandte sich ganz entschieden gegen die Geschichtslüge, wonach den Sudetendeutschen eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg angelastet wird. In diesem Zusammenhang übte er Kritik an Vaclav Havel, der behauptete: "Unsere Deutschen haben alle fatal versagt". Hier habe Havel die Unterdrückung der Sudetendeutschen vor 1938 völlig unterschlagen.

Zur der einseitigen Diskussion über das Münchner Abkommen und der Hinwendung der Sudetendeutschen zu Hitler hielt Prof. Grulich entgegen , eine Woche nach Einmarsch der deutschen Truppen in das Sudetenland seien viele Sudetendeutsche in Konzentrationslager gekommen. 643 Priester wurden verfolgt. Benesch plante bereits 1939 den "Abschub" der Sudetendeutschen. Stalin stimmte als letzter der Vertreibung zu, stellte Prof. Grulich weiter fest.

Der Referent übte auch scharfe Kritik an der Haltung der Tschechischen Republik zu den Vertreibungsverbrechen. Die Benesch-Dekrete und das Straffreistellungsgesetz verglich er mit den Rassengesetzen der Nationalsozialisten. Während die Verbrechen während der kommunistischen Gewaltherrschaft in der Tschechischen Republik untersucht würden, unterschlage man die Zeit von 1945 bis 1948. In diesem Zeitraum gab es die meisten Toten. Diese Unmoral des tschechischen Staates müsse angeprangert werden.

Prof. Grulich ging auch mit der tschechischen Kirche ins Gericht. Er zitierte aus einem Brief, in dem die tschechischen Bischöfe erklärten: "Kein Schatten der Grausamkeiten, kein Verbrechen darf uns beflecken, sonst werden wir an den Pranger gestellt wie die Nazis". Er forderte, dass sich die tschechische Kirche von den Verbrechen an Deutschen distanziert. Papst Pius XII hingegen verurteilte die Vertreibung als ein Verbrechen.

Prof. Grulich stellte heraus, er sei kein Feind des tschechischen Volkes, zeigte sich aber enttäuscht über die Zeit nach der Wende. Man hätte damals an das Wiesbadener Abkommen vom 4. August 1950 anknüpfen müssen.

Prof. Grulich schloss seinen Vortrag mit den Worten: "Wir haben auf Rache verzichtet, aber nicht auf unser Recht. Wir sind keine Revanchisten".

Zum 125. Geburtstag von Franz Kafka referierte Oberstudienrätin a.D. Carla Kleinau. Sie zeichnete ein plastisches Bild des großen deutschen Dichters aus Prag. Durch ihre Ausführungen lassen sich die Werke Kafkas besser verstehen. Zum Lebensweg Kafkas bemerkte sie , sein Vater hat aus kleinen Verhältnissen heraus mit einem Galanteriegeschäft einen Aufstieg erreicht. Er erwartete von seinem Sohn, Franz, Lebenswillen, Stärke und Ausdauer. Kafka konnte jedoch diese Erwartungen nicht erfüllen. Er war ein schwächliches Kind von Krankheiten und Nervenkrisen geplagt. Grundlos von Schuldgefühlen geplagt, litt er unter einem schlechten Gewissen. Seinem Naturell entsprechend, wollte Kafka Philosophie studieren. Sein Vater erlaubte das jedoch nicht. So nahm er auf Jurastudium auf.

Mit dem weiblichen Geschlecht hatte der Dichter Probleme. Enge Beziehungen widerstrebten seinem Naturell. So löste er mehrere Verlobungen. Er wollte Prag entfliehen, kehrte aber immer wieder nach dort zurück. Franz Kafka starb am 3. Juni 1924 an Tuberkulose. Er wurde in Prag beigesetzt. Bei der Landeskulturtagung war auch ein Thema die mehrteilige Dokumentation des Hessischen Rundfunks, "Die Sudetendeutschen und Hitler" sowie über das Münchner Abkommen. Es wurde Kritik daran geübt, dass die Geschichte einseitig dargestellt und die Sudetendeutschen als begeisterte Anhänger Hitlers dargestellt wurden, ohne auf die Hintergründe einzugehen.

 

Adolf Wolf
im November 2008