Deutsche in der Tschechischen Republik fühlen sich als Bürger zweiter Klasse

Seminar des Deutsch -Europäischen Bildungswerks in Sternberg/Sternberk

Auf geschichtsträchtigen Boden fand in Sternberg/Sternberk in Mähren ein Seminar des Deutsch-Europäischen Bildungswerkes (Bildungseinrichtung des Landesverbandes Hessen des Bundes der Vertriebenen ) statt. Wie sich zeigte ,wird die deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik auch heute noch erheblich benachteiligt. Während Staatsbürger tschechischer Nationalität ihr von den Kommunisten enteignetes Eigentum zurückerhielten, sind die in der Tschechischen Republik lebenden Deutschen durch die Weitergeltung der Benesch-Dekrete davon ausgenommen. Weiter wurde deutlich, dass es zu einer endgültigen Verständigung nur kommen kann, wenn auch von der tschechischen Seite die Geschichte objektiv aufgearbeitet wird.

Hans Korbel vom Schlesisch-Deutschen Verband in Troppau schilderte das schwere Los der nicht vertriebenen Sudetendeutschen in der Nachkriegszeit. Es seien etwa 270.000 Deutsche von der Vertreibung nicht betroffen gewesen. Dabei handelte es sich überwiegend um Fachkräfte, die von der Industrie gebraucht wurden. Ihnen wurde das Eigentum entzogen. Sie waren völlig rechtlos, fuhr Korbel fort. Bis 1952 hätten Arbeitslager für Deutsche bestanden. Die zur Zwangsarbeit verurteilten Deutschen erhielten im Gegensatz zu Tschechen keine Entschädigung. Durch die innere Umsiedlungen wohnten heute die Deutschen verstreut. Da in den verschiedenen Orten zu wenig deutsche Kinder lebten, gebe es keine Minderheitenschulen.

Korbel war enttäuscht über das Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament und im Deutschen Bundestag bezüglich des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union. Das bestärkte das Tschechische Parlament, die Benesch-Dekrete weiter gelten zu lassen. Die Deutschen in der Tschechischen Republik fühlten sich von der Bundesregierung im Stich gelassen.

Korbel beklagte das mangelnde Geschichtswissen über die deutsche Minderheit.

Bei einer Umfrage hätte der überwiegende Teil der Befragten erklärt, die Deutschen seien erst aufgrund des Münchner Abkommens in das Land gekommen.

Über gute Erfahrungen mit tschechischen Kommunalpolitikern konnte Walter Sitte vom Verband der Deutschen/Nordmähren-Adlergebirge berichten. Die jeweiligen Bürgermeister besuchten die Veranstaltungen der deutschen Minderheit. Der Verband sei sehr aktiv. Es fänden Volkstumsabende, Veranstaltungen zum Muttertag, Weihnachtsfeiern und Bildungsseminare statt. Allerdings gebe es auch einen Wermutstropfen. Im oberen Adlergebirge lebten noch viele Deutsche. Viele wagten nicht, sich zu ihrer deutschen Nationalität zu bekennen. Die über vierzig Jahre besehende Unterdrückung wirke sich heute noch aus.

Als weiteres Problem nannte er die Kürzung der Zuschüsse aus der Bundesrepublik Deutschland. Es würden nur noch 70% der Mietkosten für das Deutsch-Tschechische Begegnungszentrum erstattet. Um den Fehlbetrag aufzufangen, hätten die Mitgliedbeiträge erhöht werden müssen.

Der Heimat in Würde dienen

Während die tschechische Regierung jegliche Gespräche mit Vertretern der Sudetendeutschen ablehnt, bestehen auf der örtlichen Ebene gute Kontakte.

Der Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Hessen, Alfred Herold, beschrieb seine Aktivitäten bei der Erhaltung der Kulturdenkmäler in seiner Heimatstadt Bärn. Seine Motivation für diese Arbeit drückte er so aus: "Wir kommen nicht mit geballten Fäusten, sondern mit gefalteten Händen". Es gelte der Heimat in Würde zu dienen. Damit werde auch eine Identität in der Heimat aufgebaut.

Zum Verhältnis zu den jetzigen Einwohnern seiner Heimatstadt erklärte Herold: "Wir sind Kinder eines Landes". Dass dies keine leeren Worte sind, davon konnten sich Teilnehmer des Seminars bei einem Besuch in Bärn überzeugen. Der Friedhof, der in einem verwahrlosten Zustand war, ist jetzt wieder der Ehre der Toten angemessen. Einige Grabstätten, bei denen die Grabsteine noch vorhanden waren, sowie das Grab der Familie des Urgroßvaters von Alfred Herold sind hergerichtet worden. Die Statue auf dem Friedhof, die den auferstandenen Jesus darstellt, wurde restauriert. Weiter konnte die wertvolle Statuengruppe vor der Stadtkirche vor dem Zerfall gerettet werden. Weiter sind die Restaurierung der Stadtkirche und der Hausbergkirche sowie des Kreuzweges in Bärn zu nennen. Auch die Renovierung der Marienstatue, die auf dem Ringplatz von Bärn stand, geht auf die Initiative von Alfred Herold zurück. Diese Barockstatue, ein Beweis der Volksfrömmigkeit, gehört zu einer der schönsten in Mähren.

Sie wurde nach Anschluß des Sudetenlandes an das Deutsche Reich vom Ringplatz entfernt und in an einer versteckten Stellen aufgestellt. Heute soll sie wieder ihren alten, würdigen Platz erhalten.

Die Gruppe wurde von der stellvertretenden Bürgermeisterin von Bärn, Vera Matouskova, freundlich empfangen.

Tschechischer Staat an der Erhaltung deutscher Kulturdenkmäler nicht interessiert

Der Stadtpfarrer von Bärn, Oldrich Masa, lobte das großen Engagement von Alfred Herold sowie der früheren Einwohner von Bärn bei Erhaltung von Kulturdenkmälern. Er übte in diesem Zusammenhang Kritik am tschechischen Staat. Die staatliche Förderung zur Instandsetzung von Kirchen bezeichnete er als sehr dürftig. Nur in Touristenzentren erfolge eine Renovierung von Kirchen. In Prag seien dafür 30 bis 40 Millionen Kronen aufgewendet worden. Als Beispiel für die niedrigen Fördermittel führte Pfarrer Masa die Renovierung der Stadtkirche in Bärn an. Während von tschechischen Staat nut 180.000 Kronen zu Verfügung gestellt worden seien, habe Alfred Herold durch Spenden und Zuschüsse 2,5 Millionen Kronen aufgebracht. Zur Zerstörung deutscher Kulturdenkmäler bemerkte Pfarrer Masa, die Umgebung von Bärn sei zum militärischen Sperrgebiet erklärt worden. Damit gingen auch die kirchlichen Baudenkmäler unter. Es komme jetzt darauf an zu retten, was noch zu retten ist . Weiter beklagte er das schlechte Verhältnis der tschechischen Staates zur Katholischen Kirche.

Die deutsch-tschechische Geschichte muss objektiv aufgearbeitet werden

Sternberg nimmt einen traurigen Platz im deutsch-tschechischen Verhältnis ein. Eine tiefe Wunde schlugen die Ereignisse am 4.März 1919. Damals eröffnete tschechisches Militär auf dem Marktplatz von Sternberg das Feuer auf friedliche Demonstranten, die das Selbstbestimmungsrecht forderten. Es waren 17 Tote und 28 Schwerverletzte zu beklagen. Heute erinnert dort nichts mehr an diese Bluttat.

Wie der Historiker Dieter Schallner von der Universität Olmütz in seinem Referat ausführte, ist das Thema 4.März 1919 in der tschechischen Geschichtsschreibung ein Tabu. In Kaaden hätte es am 4. März 1919 25 Opfer unter den friedlich demonstrierenden Sudetendeutschen gegeben. Es wäre eine gerichtliche Untersuchung vorgenommen worden, die jedoch ohne Ergebnis endete. Diese Akten befänden sich im Militärarchiv Prag. Sie seien als "geheim" eingestuft. Um Einsicht nehmen zu können, müsse die Zustimmung des Generalstabs der tschechischen Armee eingeholt werden.

Zur Bewertung der Vertreibung der Sudetendeutschen führte Dieter Schallner aus, diese menschliche Tragödie sehe man Folge der Untaten des Naziregimes an. Auch werde das Münchner Abkommens als ein für die Tschechen traumatisches Ereignis betrachtet.

Bei dem Seminar kristallisierte sich heraus, dass es nicht um eine gegenseitige Aufrechnung geht Vielmehr solle auf der Grundlage der geschichtlichen Wahrheit ein Weg zu einer dauerhaften und endgültigen Aussöhnung gefunden werden.

Adolf Wolf