LANDESVERSAMMLUNG
der Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft

am
Samstag 13. April 2002

Die Benesch-Dekrete haben keinen Platz in einem gemeinsamen europäischen Haus

Die Benesch-Dekrete, soweit sie die Sudetendeutschen betreffen, standen im Mittelpunkt der Landesversammlung Landesgruppe Hessen der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die in Löhnberg stattfand.

Der Präsident der Landesversammlung ,Reinfried Vogler, sagte einleitend, das sudetendeutsche Problem werde auf nationaler und internationaler Ebene diskutiert. Über die tschechische Haltung zu den Benesch-Dekreten habe es einen Sturm der Entrüstung in Deutschland sowie im Europäischen Parlament gegeben. Er verwies weiter auf die 250 tschechischen Intellektuellen, die sich gegen die Benesch-Dekrete wandten.

In den Grußworten der Gäste kam weiter zum Ausdruck, dass diese Dekrete, soweit sie die Sudetendeutschen betreffen, in einem gemeinsamen europäischen Haus keinen Platz haben dürfen. Prominente Gäste waren der Hessische Finanzminister Karl Heinz Weimer und der Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Rudolf Friedrich.

Aktivitäten der Vertriebenenverbände wichtig für die europäische Zukunft

Finanzminister Weimer lobte die Leistungen der Vertriebenenverbände, auch bei der Integration der Spätaussiedler. Die Hessische Landesregierung habe im Gegensatz zur Vorgängerregierung die Fördermittel für die Vertriebenenverbände aufgestockt. Trotz schwieriger Haushaltslage seien weitere finanzielle Verbesserungen vorgesehen. Es solle das Niveau anderer Bundesländer erreicht werden.

Landesbeauftragter Rudolf Friedrich übte Kritik an der Bundesregierung in Bezug auf den Beitritt der Tschechische Republik zur Europäischen Union. Friedrich hatte unter anderem in einem Schreiben Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Einschreiten aufgefordert, damit sich der tschechische Ministerpräsident bei den Opfern der Vertreibung entschuldigt. Über die Haltung der Bundesregierung zu den Benesch-Dekreten zeigte sich Friedrich empört. So spielten nach Antwort der Bundesregierung, die Unrechtsdekrete, die zur Entrechtung und Vertreibung der Deutschen führten, bei den Beitrittsverhandlungen zur EU kein Rolle. Nach der Antwort von Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Christoph Zöpel, sei vorgesehen, die vielfältigen Strukturen der deutsch- tschechischen Beziehungen weiter auszubauen.. Die Bundesregierung wolle die Tschechische Republik auf ihren Weg in die EU konstruktiv begleiten, "ohne dabei den Beitritt mit bilateralen Fragen zu verknüpfen". Diese Politik sei sowohl rechtlich als auch moralisch nicht vertretbar und bedeute letztenendes die Akzeptanz der Vertreibung der Deutschen. Dies könne "kein Weg in eine friedliche Zukunft unseres Kontinents sein", so Friedrich. Die Benesch-Dekrete dokumentierten Unrecht und dürften daher keinesfalls stillschweigend in eine gemeinsame europäische Rechtsordnung übernommen werden.

In einem weiteren Punkt kritisierte Friedrich die Bundesregierung. So sei im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Zuwanderung eine weitere Verschlechterung für die Heimatvertriebenen und Spätaussiedler eingetreten. Das noch nicht in Kraft getretene Gesetz sehe vor, die Vertriebenenbeiräte bei Bund und Ländern abzuschaffen. Diese Änderung sowie die Begrenzung des Zuzugs von Spätaussiedlern zeigten, dass die rot- grüne Bundesregierung den berechtigten Anliegen der Heimatvertriebenen keine Beachtung mehr schenke. Im Gegensatz dazu habe das Land Hessen die Bedeutung der Arbeit der Heimatvertriebenen erkannt und ihr wieder eine angemessen große Priorität gegeben.

Der stellvertretende Kreisvorsitzende des CDU- Kreisverband Limburg- Weilburg, Michael Dehmel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Lehrstuhl für Völkerrecht, führte aus, unter Völkerrechtlern sei es unbestritten, dass die Vertreibung rechtswiedrig war. Es gebe das Recht auf die Heimat, ein Menschenrecht. Es ginge nicht darum, die europäische Nachkriegsordnung zu revidieren. Unrecht müsse jedoch als Unrecht bezeichnet werden dürfen. Die Delegierten des des CDU-Kreisverbandes Limburg-Weilburg hätten in einer Entschließung gefordert, die Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union von der Aufhebung der Benesch-Dekrete abhängig zu machen.

Die Landtagsabgeordnete der SPD, Hildegard Pfaff lobte die Aussöhnungbereitschaft der Vertriebenen. Aussöhnung sei jedoch nur möglich, wenn die Menschen aufeinander zugingen. In der Phase der Osterweiterung der EU komme den Vertriebenenverbände hohe Bedeutung zu. Die Vertriebenenverbände sah sie als Brücke zu den Völkern und Kulturen. Diese Aktivitäten seien wichtig für die europäische Zukunft. Bei der Einbindung der Tschechischen Republik in die EU gebe es jedoch noch ungelöste Probleme..Es bestehe Bedarf, über die Benesch-Dekrete zu diskutieren.

Der Bürgermeister des gastgebenden Kommune, Jörg Sauer, forderte Offenheit in einem zusammen wachsenden Europa. Wichtig sei ein offener und ehrlicher Dialog. Dazu gehörten auch unangenehme Themen wie die Verbrechen des NS-Regimes und die Verbrechen bei Flucht und Vertreibung. Das Geschichtsbewusstsein müsse aufrecht erhalten werden.

Benesch-Dekrete - "legalisierten Notausgang für Verbrecher"

In seinem Jahresbericht führte Landesobmann Alfred Herold aus, das vergangene Jahr sei das arbeitsreichste seit vierzig Jahren gewesen. Die Sudetendeutschen bezeichnete er nicht nur als eine Opfergemeinschaft, sonder auch als eine Kampfgemeinschaft. Das Klima "für unser Schicksal" habe sich geändert. Die Medien hätten dafür gesorgt, dass das Schicksal der Sudetendeutschen aus dem Schatten herausgekommen sei. Man habe begriffen, Trauer und ie verlorene Heimat und die Toten der Vertreibung könnten nicht mit Revanchismus in Verbindung gebracht werden. "Unsere Geschichte und unser Schicksal wurden nie so thematisiert wie je zuvor", so Herold. Zeman habe das zarte Pflänzchen der Verständigung zertreten.

Der Landesobmann übte scharfe Kritik an den Benesch-Dekreten sowie an den Straffreiheitsgesetz. Diese Dekrete nannte er den von der tschechischen Politik "legalisierten Notausgang für Verbrecher". Da es keine Kollektivschuld gebe, könne auch keine Kollektivvergebung in Frage kommen. In der Bundesrepublik Deutschland verjährten NS-Verbrechen nicht. In der Tschechischen Republik hingegen liefen Massenmörder noch frei herum.

Die Sudetendeutschen nannte er als Vorkämpfer für eine Verständigung. Sie hätten bereits moralische Vorleistungen gebracht. Auch der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft habe sich in einer Sendung des tschechischen Fernsehens für die Verbrechen der Nationalsozialisten entschuldigt. Damit erwarb sich Sympathien in der Tschechischen Republik, so Herold weiter. Der Landesobmann rief zur Geschlossenheit auf.

Weiter dankte er der Hessischen Landesregierung für die ideelle sowie finanzielle Unterstützung. Der Dank galt auch Rudolf Friedrich.

Herold warb auch für das Zentrum gegen Vertreibungen. "Wenn es nicht in absehbarer Zeit gelingt, dieses Zentrum zu errichten, dann wird das Verbrechen der Vertreibung von 15 Millionen Menschen nur noch in den Fußnoten von Historikern existieren", rief der Landesobmann den Delegierten zu.

Katholische Kirche in der Tschechischen Republik verletzte das Gebot der Nächstenliebe

Prof. Dr. Rudolf Grulich sprach zu dem Thema "Mit den Benesch-Dekreten in die EU"
Er stellte seinen Vortrag unter die Prämisse "Versöhnung und Wahrheit". Weiter nannte er es als einen Skandal, dass die Katholische Kirche in der Tschechischen Republik zur Vertreibung der Sudetendeutschen schweige. Die Katholische Kirche wirkte bei der Vertreibung der Sudetendeutschen mit. In einer Erklärung der Kirche hätte es geheißen, alle Deutschen seien schlecht, für sie gelte nicht das Gebot der Nächstenliebe.

Tschechische Katholiken sähen die Vertreibung als kollektive Bestrafung für die Verbrechen der Nationalsozialisten an.

In der katholischen Kirche gab es auch mutige Stimmen gegen die Vertreibung. Papst Pius XII sprach sich gegen die Vertreibung und gegen jegliche Kollektivschuld und Kollektivstrafe aus, fuhr Prof. Grulich fort.

Zu den Benesch-Dekreten bemerkte er, die Unrechtsfolgen dieser Dekrete wirkten sich heute noch aus. Der jetzige Zeitpunkt sei eine günstige Gelegenheit mit der Vergangenheit aufzuräumen und die Benesch-Dekrete aufzuheben.

Auch die für Staaten, die das Potsdamer Abkommen unterzeichneten müssten sich zurVertreibung äußern. Der amerikanische Präsident Bush hätte jegliche Vertreibungen verurteilt.

An die tschechischen Politiker appellierte Prof Grulich, sich der geschichtlichen Wahrheit zu stellen. Er sprach in dieser Beziehung von politischer Heuchelei. In der Tschechischen Republik sei das Rechtsbewusstsein zerstört worden. Es komme darauf an, dass sich die tschechische Seite zur politischen Wahrheit bekenne. Ohne die Wahrheit könne es keine Versöhnung geben. Versöhnung und Wahrheit würden sich nicht gegeneinander ausschließen.

Aufhebung der Benesch-Dekrete gefordert

Die Delegierten verabschiedeten zwei Entschließungen. In der einen Entschließung protestierten die Delegierten aufs Schärfste gegen die diffamierenden und beleidigenden Äußerungen tschechischer Spitzenpolitiker gegenüber den Sudetendetuschen. Weiter forderten sie die Aufhebung der Benesch-Dekrete , soweit sie die Sudetendeutschen betreffen.

Weiter stellten sie fest:

"Der Dialog auf der Ebene von Mensch zu Mensch zwischen Sudetendeutschen und Tschechen ist schon weit fortgeschritten."

Durch die unverschämten Äußerungen der tschechischen Spitzenpolitiker wird dieser Dialog ganz erheblich gestört.

Die Delegierten danken den tschechischen Intellektuellen und Jourtnalisten,, die für die Aufhebung der Benesch-Dekrete eintreten und sich somit für Recht und Gerechtigkeit einsezten.

Weiter wurde die tschechische Regierung aufgefordert, Gespräche mit Vertretern der sudetendeutschen Volksgruppe zu führen, um eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden.

Weiter erklärten sich die Delegierten solidarisch mit den ungarischen Volkszugehörigen, die genau wie die Sudetendeutschen von den Rechtsfolgen der Benesch-Dekrete betroffen sind.

In einer weiteren Entschließung forderten die Delegierten von der Hessischern Landesregierung, den Lehrplan Geschichte für Realschulen zu verbessern. So entstehe der Eindruck Vertreibung werde mit Mythenbildung und Rechtsradikalismus verbunden.

Adolf Wolf

Dr. Pepi Erben geehrt

Bei der Landesversammlung in Löhnberg stellte Landesobmann Alfred Herold, unter dem Beifall der Delegierten, einen Überraschungsgast vor. Es handelte sich dabei um Dr. Pepi Erben, einer Symbolfigur im Skisport. Er wurde vom Bundeskulturreferenten der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Reinfried Vogler, und vom Landesobmann Alfred Herold mit einer Urkunde für Leistungen des kulturellen sudetendeutschen Erbes geehrt.

Alfred Herold führte in seiner Laudatio aus: "Im Jahre 2000 erschien sein Werk " Die skisportlichen Erfolge der Sudetenjugend 1939-1944", das in der Sportgeschichte unserer sudetendeutschen Heimat eine empfindliche Lücke geschlossen hat. In diesem Werk hat Dr. Pepi Erben auch die Sudetendeutschen und ihr Schicksal beschrieben und das Werk mit zahlreichen Dokumenten ausgestaltet. Im einzelnen werden die Skiwinter 1939-1944 behandelt und die Erfolge der sudetendeutschen Sportler auf gesamtdeutschen Sportveranstaltungen dargestellt. Darüber hinaus beschreibt Dr. Pepi Erben die Leistung Sudetendeutscher nach der Vertreibung in Ost und West. Alles in allem hat sich Dr. Pepi Erben für unsere Heimat große Verdienste erworben , und es ist mir eine große Freude, ihm jetzt die Urkunde als Dank und Anerkennung für kulturelle Leistungen zur Bewahrung des heimatlichen Erbes überreichen zu können".

In der 1966 erschienen Festschrift "65 Jahre Ski-Club Taunus" ist über Dr. Pepi Erben zu lesen:

"Der Riesengebirgler Pepi Erben, Reichsjugendsieger von 1943, gewinnt 16 Hessische Meisterschaften, zehn Schwarzwald-, zwei Schwäbische, eine Bayerwald- und drei Harzer Meisterschaften, außerdem neun Deutsche und drei Schweizer Hochschulmeisterschaften."
"1952 Teilnehmer der Olympischen Winterspiele in Oslo, 1955 zweifacher Studentenweltmeister in Sarajewo/Jugoslawien und Sieger in zahlreichen nationalen und internationalen Rennen. Vom DSV wird Erben als Trainer nach Island und Marokko berufen".